Seit Januar 2022 arbeiten das Case Management Berufsbildung und die IV-Stelle Kanton Bern eng zusammen. Welche Vorteile bringt das den betroffenen Jugendlichen?
Beda Furrer: Früher gab es eine klare Abgrenzung bei der Fallführung. Das heisst: War die IV fallführend, ist das Case Management jeweils nicht eingestiegen. Heute wird bei betroffenen Jugendlichen weniger stark getrennt zwischen Hürden, die sich aufgrund gesundheitlicher Probleme ergeben, und Hürden, die auf andere Schwierigkeiten zurückzuführen sind. Das ist auch wichtig. Denn die Herausforderungen, welche die Jugendlichen haben, beeinflussen verschiedene Bereiche ihres Lebens. Hat jemand zum Beispiel psychische Schwierigkeiten, ist es naheliegend, dass diese nicht nur die Gesundheit betreffen, sondern auch Einfluss auf die Berufswahl, die Schule oder das Zusammenleben mit der Familie haben. Deshalb ist auch nicht nur eine Ansprechperson gefragt, sondern es braucht beide.
Teresa Thürig: Wir kennen uns durch die engere Zusammenarbeit besser und können den Jugendlichen und ihren Eltern dementsprechend genauer Auskunft geben über die jeweils andere Institution. Das verbessert nicht nur die Qualität der Beratung, die Betroffenen sind auch rascher am richtigen Ort. Mit dem CMBB als Partner sind wir als IV zudem viel näher bei den Schulen. Dort ist zwar das CMBB erster Ansprechpartner für die Jugendlichen und ihre Eltern, wir können aber bei gesundheitlichen Problemen viel einfacher einsteigen. Das ist für die Jugendlichen enorm wichtig.
Beda Furrer: Im Gegenzug haben wir unsererseits einen schnelleren und direkteren Zugang zu den IV-Abklärungen. Man könnte also sagen, die Jugendlichen erhalten rascher die richtige Unterstützung – egal ob die IV oder wir vom CMBB zuerst im Boot waren.
Lässt sich der positive Effekt der Zusammenarbeit messen?
Beda Furrer: Eigentlich ist es noch zu früh, um eine nachhaltig positive Wirkung unserer Zusammenarbeit beurteilen zu können. Zudem ist es grundsätzlich schwierig, einen solchen Effekt konkret zu messen, spielen doch auch qualitative Faktoren eine grosse Rolle. Klar ist aber, dass heute mehr Jugendliche von unserer Unterstützung profitieren können. Haben wir früher weniger als 100 gemeinsam mit der IV begleitet, waren es 2023 rund 350 Jugendliche und junge Erwachsene. Auch hatten wir zusätzlich etwa 80 Jugendliche in Brückenangeboten, von denen die meisten früher diese Unterstützung nicht erhalten hätten.
Teresa Thürig: Ich gehe mit Beda Furrer einig, dass sich die Auswirkungen der Zusammenarbeit schwierig bemessen lassen. Ich sehe aber einen klaren qualitativen Effekt – weil wir durch die Zusammenarbeit den Jugendlichen eine grössere Palette von Angeboten bieten können. Die Zusammenarbeit ist wirklich sehr gut, wir sind in ständigem Dialog miteinander. Dies wiederum ist in der Fallarbeit deutlich spürbar.
Gab es aufgrund der bisherigen Erfahrungen im vergangenen Jahr Anpassungen?
Teresa Thürig: Es funktioniert sehr gut, wie wir die Organisation der Zusammenarbeit zu Beginn definiert haben. Anpassungsbedarf im eigentlichen Sinn sehe ich daher nicht. Es haben sich höchstens Herausforderungen gezeigt, denen wir gezielt Rechnung tragen und an denen wir dranbleiben müssen. Beispielsweise die Rollenklärung. Damit meine ich nicht die Rollenklärung in einem übergeordneten Sinn, sondern, dass sie bei jeder Beratung und Begleitung von Jugendlichen neu ausgehandelt werden muss.
Beda Furrer: Diese Herausforderung sehe ich auch. Beispielsweise wenn die IV bereits viele Begleitmassnahmen aufgegleist hat. Wegen der Vereinbarung kommt ein solcher Fall trotzdem noch ins Case Management, was in Einzelfällen nicht nötig wäre. Hier ist die gemeinsame Fallführung gefragt, damit wir nicht doppelspurig fahren, sondern ergänzend.
Immer mehr Jugendliche leiden unter psychischen Problemen. Macht sich dieser Anstieg in Ihrer Arbeit ebenfalls bemerkbar?
Beda Furrer: Im Case Management sind die Zahlen relativ stabil. Was wir aber merken, ist eine Zunahme der Komplexität der Probleme. Und das hat auf jeden Fall mit den psychischen Beeinträchtigungen, mit der zunehmenden psychischen Belastung zu tun.
Teresa Thürig: Wir merken, dass sich die Jugendlichen früher und rascher bei uns melden. Doch hängt dies sicher auch damit zusammen, dass wir seit der Weiterentwicklung der IV neue Instrumente für die Jugendlichen zur Verfügung haben. Es ist also schwierig zu sagen, wie gross der Effekt der Zunahme psychischer Erkrankungen wirklich ist.
Wo sehen Sie die Stärken der jeweils anderen Organisation?
Teresa Thürig: Ich kann diese an drei Stichworten festmachen: partnerschaftlich, flexibel und lösungsorientiert. Das CMBB ist immer sehr dialogbereit, hat Möglichkeiten, auch einmal Wege auszuprobieren, die nicht 08/15 sind. Zudem stehen beim CMBB immer die Jugendlichen im Zentrum.
Beda Furrer: Ich bin sehr dankbar, gibt es die IV, die hilft, zu unterstützen, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorhanden ist. Sie hilft, jungen Menschen einen Weg zu ermöglichen, damit sie am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Zudem nehme ich eine positive Entwicklung bei der IV-Begleitung wahr, dass ihre Leistungen breiter und niederschwelliger geworden sind.