Was Long Covid für die Betroffenen bedeutet und wie schwierig eine Behandlung der Krankheit ist, schilderte Lara Diem, Oberärztin in der Klinik für Neurologie und Leiterin der Long-Covid-Sprechstunde am Inselspital in Bern. Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation spricht man von Long Covid, wenn eine Betroffene oder ein Betroffener drei Monate nach einer Covid-Infektion weiterhin an Symptomen leidet. Schätzungen zufolge betrifft dies gut sechs Prozent aller Covid-Erkrankten.
Long Covid ist keine psychiatrische Erkrankung. Vielmehr ist es eine Überaktivierung des Immunsystems, was eine massive Produktion von Entzündungsstoffen auslöst und so die verschiedenen Symptome verursacht. Selten führt diese Reaktion zu Schäden, die mit Röntgen, MRI oder Ähnlichem nachweisbar sind. Bei den allermeisten Betroffenen gibt es aber keine objektiven Befunde. So können zum Beispiel Lungenfunktionstest völlig normal ausfallen, die betroffene Person hat aber trotzdem starke Atemnot und kann kaum eine Treppe hochsteigen.
Die Unterschiede bei den Einschränkungen sind sehr gross. «Wir behandeln im Inselspital etwa 500 Personen, die an Long Covid leiden. Es gibt aber keine zwei Fälle, die gleich sind. Wir müssen jede Patientin, jeden Patienten individuell anschauen», erzählte die Medizinerin. Die Symptome reichen von chronischem Durchfall, Atemnot, Husten, massiven Nervenschmerzen, Stechen in der Brust, Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns, ständigem Ohrensausen bis hin zu neurologischen Beschwerden.
Hier ist vor allem die Fatigue hervorzuheben, diese ausserordentliche Erschöpfung. Sie ist das klar häufigste Symptom bei Long-Covid-Patientinnen und -Patienten. Die Betroffenen würden gerne etwas leisten, sind körperlich und/oder geistig jedoch schlicht nicht in der Lage dazu. Oft kommt diese Entwicklung schleichend. Körperlicher, geistiger oder emotionaler Stress kumulieren sich und dann kommt es zum Zusammenbruch.
Schwierige Behandlung
Eine medikamentöse Behandlung von Long Covid gibt es im Moment nicht. Deshalb kommen Physiotherapie, Ergotherapie, psychiatrische Behandlungen, Entspannungsverfahren, Rehabilitation und Medikamente zur Linderung von Symptomen wie Kopfschmerzen zum Einsatz. Zentral bei der Behandlung ist, den Zusammenbruch zu vermeiden, damit der Körper die Energie hat, das Immunsystem herunterzufahren und die Entzündungsstoffe zu eliminieren. Jeder muss dabei seine eigene Balance herausfinden. Was liegt drin, damit die eigenen Grenzen nicht überschritten werden und man durch einen Rückfall wieder zurückgeworfen wird?
Die Betroffenen müssen auch lernen auf Warnsignale ihres Körpers zu achten, Prioritäten zu setzen und Pausen einzuplanen. Das widerspreche unserer Leistungsgesellschaft, meinte Lara Diem, sei aber die Basis, damit sich die Patientinnen und Patienten wieder erholen können. Der Aufbau muss behutsam angegangen werden. So sollte zum Beispiel der Wiedereinstieg ins Berufsleben langsam und in kleinen Schritten erfolgen.
Befolgt man dies, sind die Prognosen nicht schlecht. Eine schweizweite Umfrage zeigt, dass die häufigsten Symptome mit der Zeit abnehmen. Trotzdem: Rund 40 Prozent der befragten Long-Covid-Patientinnen und -Patienten waren auch nach zwölf Monaten noch nicht komplett beschwerdefrei.