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Neues Angebot

IV-Sprechstunde
für Schmerzpatientinnen und -patienten


Wer unter chronischen Schmerzen leidet, ist oft auch im Arbeitsalltag eingeschränkt. Dies bringt für die Betroffenen zusätzliche Herausforderungen und Unsicherheiten mit sich. Deshalb bietet die IV-Stelle Kanton Bern am Schmerzzentrum des Inselspitals seit Juni 2024 IV-Sprechstunden an. Das niederschwellige und kostenlose Angebot ermöglicht Schmerzpatientinnen und -patienten wie auch Fachpersonen Fragen rund um die IV zu klären.

Beitrag von Matthias Zobrist, 30. Januar 2025

Wir alle kennen Schmerzen. Wir schneiden uns vielleicht in der Küche, stürzen auf der glatten Strasse hin oder leiden während einer Grippe unter Kopfschmerzen. In den meisten Fällen verschwindet der Schmerz wieder. Dauert er aber länger an, kann er zur eigenständigen, chronischen Erkrankung werden. Einschränkungen im Arbeits- und Privatleben für die Betroffenen sind die Folge. Schmerzpatientinnen und -patienten benötigen deshalb eine spezifische Therapie und manchmal auch weitergehende Unterstützung. Diese erhalten sie zum Beispiel am Schmerzzentrum des Inselspitals. Nebst der individuellen Therapie steht auch die Prävention im Zentrum. Denn idealerweise werden Schmerzen therapiert, bevor sie chronisch werden.

Damit dies künftig noch besser gelingt, hat das Schmerzzentrum in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule und mit Unterstützung von Gesundheitsförderung Schweiz ein Projekt zur frühzeitigen und aktiven Prävention von chronischen Schmerzen lanciert (Prevention of Pain Chronification – PrePaC-Projekt). Ziel ist es, die betroffenen Personen ganzheitlich und im biopsychosozialen Kontext individuell zu betrachten und zu unterstützen. 

Fragen zur IV unkompliziert beantworten
Neben anderen Spitälern, Patientenorganisationen und weiteren Institutionen ist auch die IV-Stelle Kanton Bern in das Projekt eingebunden. Mit Josef Faller, Leiter Regionaler Ärztlicher Dienst, und Lilian Scherrer, Eingliederungsfachperson, sind zwei Fachpersonen der IV im sogenannten Konsortium vertreten. Während des Austausches in dieser Begleitgruppe wurde schnell deutlich, dass die Schmerzbetroffenen nebst der eigentlichen Therapie ein Bedürfnis nach zusätzlicher Beratung haben. Dies vor allem dann, wenn sie aufgrund der Schmerzen nicht mehr vollumfänglich arbeitsfähig sind. In solchen Situationen tauchen auch rasch Fragen zur IV auf. Wann ist eine Anmeldung bei der IV angezeigt? Welche Leistungen kann die IV überhaupt erbringen? Wie kann die IV in einem konkreten Fall unterstützen?

Daraus entstand die Idee, ein Angebot für die Patientinnen und Patienten des Schmerzzentrums wie auch für Fachpersonen zu schaffen. «Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen bietet bereits solche Sprechstunden an», erzählt Lilian Scherrer. Die dort gemachten Erfahrungen halfen, innert kurzer Zeit ein konkretes, an die Verhältnisse in Bern zugeschnittenes Angebot aufzubauen. Seit Juni 2024 bieten Lilian Scherrer und ihre Arbeitskollegin Rebecca Rütti nun jeden zweiten Donnerstagnachmittag eine IV-Sprechstunde direkt in den Räumlichkeiten des Schmerzzentrums an. Die halbstündigen Beratungsgespräche sind für die Patientinnen und Patienten kostenlos und ermöglichen ihnen eine niederschwellige Kontaktaufnahme mit der IV.

Positive Bilanz nach sechs Monaten
An den ersten Nachmittagen war die Sprechstunde ziemlich gut besucht. In den meisten Fällen wurden die Patientinnen und Patienten von den Behandlerinnen und Behandlern des Schmerzzentrums zugewiesen. Es zeigte sich aber rasch, dass diese Zuweisung einer Anpassung bedurfte. Denn dadurch kamen auch Patientinnen und Patienten in die Sprechstunde, die bereits bei der IV angemeldet waren und teilweise bereits Leistungen bezogen. In solchen Fällen ist ein Gespräch mit der zuständigen Ansprechperson der IV viel zielführender. Die IV-Sprechstunde ist vertraulich. Lilian Scherrer und Rebecca Rütti kennen somit die Vorgeschichte der Patientinnen und Patienten nicht und können zu laufenden IV-Verfahren nicht Stellung nehmen. Dennoch seien solche Gespräche oft wertvoll: «Unsere Kundinnen und Kunden haben zwar eine direkte Ansprechperson. Trotzdem ist die Hemmschwelle, sich zu melden, manchmal erstaunlich gross», hat Rebecca Rütti festgestellt. Da könne die Sprechstunde als eine Art Türöffner gut funktionieren.

Die unmittelbaren Rückmeldungen der Patientinnen und Patienten zur IV-Sprechstunde sind positiv. Das Angebot wird also geschätzt. Das zeige sich allein schon daran, wie viel Zeit sie teilweise für die Anreise für ein kurzes Gespräch auf sich nähmen, findet Lilian Scherrer. Und auch der leitende Arzt des Schmerzzentrums Inselspital Konrad Streitberger sieht die IV-Sprechstunde als Mehrwert für die Patientinnen und Patienten: «Ängste und Stress im Zusammenhang mit Arbeitsunfähigkeit machen die Schmerzen oft noch schlimmer und sind ein häufiges Problem mit dem wir als Ärztinnen und Ärzte konfrontiert werden. Für Fragen zur IV sind wir daher froh, Patientinnen und Patienten direkt an die IV-Sprechstunde in unserem Schmerzzentrum weitervermitteln können. Da können diese direkt fachkompetent beantwortet werden. Das spart auch Zeit in unserer Sprechstunde.»

«Unser Angebot steckt noch in den Kinderschuhen. Wir sehen aber ein grosses Potenzial», fassen die beiden Eingliederungsfachfrauen der IV-Stelle Kanton Bern das erste halbe Jahr zusammen. Künftig dürften noch mehr Menschen von der Sprechstunde profitieren. Denn mehrere Kliniken des Inselspitals haben Interesse angemeldet, das Angebot auf ihre Patientinnen und Patienten auszuweiten. Gut möglich, dass die Schuhe also bald deutlich grösser werden.


Das Projekt PrePac

PrePac steht für Prevention of Pain Chronification – also Prävention der Chronifizierung von Schmerzen. Oberstes Ziel des Projektes ist es, Menschen mit akuten Schmerzen so zu unterstützen und zu behandeln, dass sie weiterhin so gut wie möglich am gewohnten Leben teilhaben können und vor einer Chronifizierung ihrer Schmerzen bewahrt werden. Um dies zu erreichen, werden folgende Ziele verfolgt:

  • Es wird ein Gesundheitspfad umgesetzt, der auf internationalen Richtlinien basiert und psychosoziale Risikofaktoren als Wegweiser integriert. In einem interprofessionellen Team werden Betroffe dabei unterstützt, ihre Schmerzen so zu bewältigen, dass sie weiterhin am sozialen Leben teilhaben können und sich die Schmerzen möglichst nicht chronifizieren.
  • Spezialistinnen und Spezialisten für die Prävention chronischer Schmerzen werden sichtbar gemacht, so dass sie von Betroffenen aber auch von anderen Fachpersonen und Arbeitgebenden rasch gefunden werden können. Dies können Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Ergotherapeutinnen und -therapeuten, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, Ärztinnen und Ärzte oder Psychologinnen und Psychologen sein.
  • Für Fachpersonen, Betroffene, Arbeitgebende und Versicherungen werden Kurse vermittelt oder angeboten, damit sie sich zu Themen wie dem biopsychosozialen Schmerzmodell, Schmerzkommunikation oder dem Umgang mit Schmerzen weiterbilden oder informieren können.
  • Es wird eine Internetplattform aufgebaut, auf der relevante, qualitätsgeprüfte Informationen zu chronischen Schmerzen und Schmerzchronifizierung in leicht verständlicher Sprache angeboten werden.
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